Zum Thema passender Artikel von H. Pfeifhofer..
Hinter der nüchternen Vorsilbe ex kann sich allerhand Seelenpein verschanzen. Brustabklemmende Trauer, turmhoher Hass oder einfach nur steppenweite Leere. Anmerkungen über Herzen in Gips.
Und so gehts meistens los: "Du, wir müssen reden." Wenn wir das hören, sollte wir die Ohren spitzen und uns schon einmal auf weit reichende Konsequenzen gefasst machen. Der schlichte Imperativ würgt es einem rein mit Wucht. Die halbbittere Aufforderung zum Gespräch mit dem Karoass des Herzens hat nahezu immer zur Folge, dass es künftig nicht mehr viel zum Reden geben wird. Du, wir müssen reden heisst: Du, ich mach´jetzt Schluss. Und dann ist es aus, vorbei, finis, the end, nada mas. Gründe, weshalb man vom ehemals Liebling, Schatz, gar Sinnzentrum ins Aus gestellt wird, gibt es eher viele. Uns interessieren aber nicht die Gründe, sondern die Konsequenzen, und die sind grausam.
Pudel, begossen Todtraurig steht man da, eingedenk, wieder einmal nicht genügt zu haben für traute Zweisamkeit, auf der Stirn eingepunzt das Präfix ex. Man denkt, wie kann es sein, dass die Sonne meines Privatlebens ein weiteres Mal ungenossen am Horizont versinkt. Dann die Tiermetaphorik, die aufsteigt in einem, langsam aber unaufhaltsam, die für Szenen der Trennung die immer wieder gern genommenen Bilder mit dem Ochs vorm Tor oder dem begossenen Pudel zur Verfügung stellt. Der Verlassene: Ein Bild der Traurigkeit, umrahmt von Elend. Er ist im Begriff sich aufzulösen, abstrakt und unscheinbar zu werden. Wenn wir sitzen gelassen werden, besteht die Gefahr, dass ein Hund in uns hineinrennt, so durchsichtig werden wir.
Ehemaligkeit Na bravo, denken die Tapferen, hingestreckt und überfahren sind die Überrumpelten und aufgebahrt in Leere und perplexem Staunen diejenigen, die glaubten, mit der Liebe ihres Lebens zusammen zu sein. Die Trauer geht vorüber, die Ökonomie der Verdrängung setzt ein, man denkt, alles halb so wild und darauf geschissen, aber dann kommt die Leere, und nach der Leere kommt der Schmerz, und nach dem Schmerz kommt der Gedanke, dass man nie bessere Freunde gehabt hat als Pathos, Selbstmitleid und Einsamkeit. Das Triumvirat der Seelenpein. Kurz und gut: Man leidet ganz schrecklich unter seiner Einsamkeit. Es gibt den aufschlussreichen Satz: Nichts ist langweiliger, als ein Verliebter. Das zeugt von hoher Strahlkraft der Wahrhaftigkeit, dennoch hat man den Mut, ihm, dem Verliebten, zu sagen, dass es nun gut sei mit dem Gesülze im Endlosloop. Das Glück der anderen zu beobachten ist fad, und neidisch wird man obendrein.
Mitleid und die Wuchtel Bei seinem rotztriefenden ungeliebten Bruder, dem Entliebten, Verlassenen hat man diesen Mut nicht. Ihn macht sein Schmerz menschlich und sympathisch. Der Ex steht da und denkt sich: was kommt jetzt? Und weil es ja immer weitergehen muss, kommt erst einmal die Zuflucht zu Wuchteln, was nicht viel mehr sein kann als pfeifen im Walde, etwa: Auch andere Mütter haben schöne Töchter. Und weil der Volksmund auf Mannsbildseite Kalauer derartiger Güte nicht zur Verfügung stellt, erfinden wir einen: Er war schön, aber dämlich. Wenn man Beschränktheit umwandern könnte, müssten wir ordentlich Jause einpacken.
I am so lonely In Extremsituationen, und die Existenzform als Ex ist eine solche, nimmt man gerne Zuflucht zu Altbewährtem. Man will allein sein, man sitzt auf dem Sofa, eine Illustrierte liegt aufgeschlagen vor einem, einige Artikel hat man angefangen, aber schon nach wenigen Sätzen spürt man die Langeweile, wie diese Texte enden, wird man nie erfahren, aber es ist einem egal. Man ist allein, und nicht einmal Musik interessiert einen noch. Doch der Schmerz wird kommen, und weil niemand Lust auf eine Breitseite Schmerz hat, gilt als erste Gegenmaßnahmen einleitende Aktion die mentale Exkommunikation des geliebten Namens, er darf seine zärtliche Magie, das bezaubernde Fluidum nie wieder verströmen dürfen. Das gibt erst einmal Abstand. Und weil alles, was weiter weg ist, nicht mehr so weh tut, empfehlen wir diese Strategie des Selbstschutzes.
Auf die Verdrängung Dann hofft der Ex auf die Beschwörung der Verdrängung und des Vergessens, er will sich befreien von Schwermut, Sehnsucht und Liebesqual, zack weg, das ist sein Traum, und das geht so: Grenzen ziehen. Das Leben diesseits der Trennungslinie muss neu organisiert und von grauslichen Erinnerungen freigeräumt werden. Dinge speichern Erinnerungen, egal, ob sie im Epizentrum oder in der Peripherie der gemeinsam durchlebten Zeit mit der/dem Herzallerliebsten auftauchten, sie sind Spiegel, an deren Oberfläche sich Szenen der Vergangenheit immer und immer wieder abspielen. Diese Dinge müssen raus. Bücher neu ordnen und CDs zurückgeben. Lust wäre da, Bücher in Rauch aufgehen zu lassen und CDs mit Titanspitzen zu ritzen, aber man will nicht so sein. Wäschestücke ausmustern, bis sich das ganze Mobiliar der Seele einmal im Kreis gedreht hat. Was überbleibt sind ein paar zerrissene Fotos, SMS, eine In-Box mit schriftlichen Zeugnissen aus Zeiten der Zärtlichkeit und ein paar zerknitterte Briefe, die man nicht wegschmeißen will, weil es ja sein könnte, dass man wieder einmal verlassen wird, um sich dann vor Augen zu halten, dass man das schon einmal durchgestanden hat.
Orte Leider verhält es sich mit Orten wie mit Dingen. Sie strahlen und füttern die Erinnerung wie liegengelassene Liebesbriefe in der Küche. Deshalb, wer sich`s leisten kann, reisen, Ablenkung um jeden Preis. Auf der autonomen Mönchsrepublik Athos zum Beispiel kommt es unter meerumspülten Küstenstreifen zu der schönsten Koinzidenz von Exklusivität des Ferienzieles, Ruhe des Ortes und zölibatärer Lebensführung. Eine Perle als Ort für Trauerarbeit. Abstand geben auch Alaska oder eine Eskimoinsel an der Beringsee, wo man sogar ein Zertifikat erhält, wenn man den Polarkreis überfliegt.
Prost! Wem das zu teuer ist, wird wohl oder übel zur Flasche greifen müssen. (Niemand wird unter einer derart seelenzerknirschenden Lebenssituation eine Aufforderung zum Alkoholkonsum sehen wollen.) Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich um den Verstand zu bringen und bei dämmernden Bewusstsein auf Halbmast sein Herzeleid zu klagen, vielleicht einem Freund mit großen Ohren. Sehr bewährt: Gin, lauwarm, morgens um halb elf wasserglasweise. Die Wirkung ist erstaunlich, das Hirn beginnt sich zu wehren gegen den Schmerz in der Brust und bringt es zu verblüffenden Rachefantasien. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass man sich auf dem Weg der Besserung befindet. Immer wieder gern genommen das Menü aus Beschimpfung, Demütigung und Gewalt. Den Ex zuerst dermaßen verbal traktieren, dass er sich wünscht, nie Ohren getragen zu haben, sodann flugs die Weichteile visieren, um ihn anschließen fies und politisch unkorrekt mit einem Lang-lebe-Kurdistan-Schild um den Hals an einer Ecke auszusetzen, wo Leute mit sehr muskulösem Nationalstolz leben. Freilich ist man nicht immer dermaßen in Form, es wird Rückschläge geben, vor allem in leisen Momenten, wo einen die Erinnerung aufs Kreuz schmeißt. Das muss man einfach ertragen.
Nicht blöd sein Definitiv kontraproduktiv ist es jedoch, herausfordernd an den Ex in lieblichem Ambiente zu denken, ihn in die Musenvitrine zu stellen. Es gibt Vorgehensweisen, die sind mitleidsresistent! Etwa: Er stelle sich vor, wie sie barfuß und apart auf den Fliesen steht und ein paar Tropfen von ihren Haarspitzen sexy über die Schulter in die Schlüsselbeinkuhlen perlen. Oder: Sie stelle sich vor, wie er ein Lokal betritt, Scharm, Mannhaftigkeit und Intelligenz streiten sich um die Beschreibungshoheit seiner Aura, gut ausschauen tut er auch noch, Platz nimmt aber nur neben ihr. Sowas bringt nichts, außer einer künftig masochistisch unterfütterten Fantasie und mauem Selbstvertrauen. Gewiss, in die Ehemaligkeit befördert zu werden ist schlimm. Geht aber vorbei.
Muss mich da insbesondere was die Punkte "Wäsche aussortieren" (einkaufen, neu einkleiden..), "Neu-Organisieren", sowie weggehen, "Ablenkung um jeden Preis", betrifft, anschließen... Es stimmt; hab das auch mal (wer nicht..) durchmachen müssen, und kann nur sagen, es hilft tatsächlich irgendwann..
Still Waters run deep - and dirty.. Gruß&Kuss, 's Loisi
" Nachts denkt man, es wäre ein Gespenst, und morgens sieht man, es war nur ein Handtuch " (Theodor Fontane)
18.03.2005 01:01