Ich bin wohl eine der Wenigen, die eigentlich eine sehr „gute“ Beziehung zum Tod hat. In meinem Bekanntenkreis sind Viele an ihren Behinderungen gestorben, schon in sehr frühen Jahren und ich selbst war als Kind oft sehr krank, dass ich dem Gevatter oft von der Schippe gesprungen bin. Wenn jemand stirbt, den man nahe gestanden ist, ist es anfangs sehr schmerzhaft. Das kann ich nachvollziehen, aber oft sind es doch die Momente, die man in Erinnerung behalten sollte, die man mit demjenigen verbracht hat.
Ich erinnere mich an einen sehr guten Freund, der mit 20 gestorben ist. Er hatte Muskelschwund und zum Zeitpunkt seines Todes hatte er bereits Nierenversagen, Diabetes und Lungenunterfunktion. Essen konnte er nur sehr wenig. Aber ich erinnere mich nicht an die 100 Kabeln an denen er angeschlossen war, sondern an seine unglaublich gutmütige und fröhliche Art. Ich erinnere mich an seine Stärke und sein klares Bewusstsein sich mit Leben und Tod auseinander zu setzen.
Einen Tag bevor er starb, waren eine Freundin und ich ihn im Wohnheim besuchen und wir gingen noch spazieren, plauderten über Männer (ja, mit 18 macht man so was) und er gab uns Tipps, wie man die Kerle weich kocht. Am nächsten Tag in der Früh kam dann ein Freund zu uns und teilte uns unter Tränen mit, dass er in der Vornacht starb. Ich war entsetzt und erleichtert, dass er endlich Frieden gefunden hat. Kein Warten mehr, kein Hadern, keine Angst, kein Schmerz mehr. Das Komische an der Sache war, dass der Besuch ein eher Spontanbesuch war, als ob wir gewusst haben, dass er Morgen nicht mehr da sein wird. Wir haben ihn sehr gemocht und das wusste er. Er starb nicht als einsamer junger Mann sondern er hatte Freunde und Menschen, die ihn so liebten, wie er war. Und er wird immer da sein ... wenn nicht körperlich, dann in unseren Erinnerungen als humorvollen oft ironischen Mann mit mehr Kraft in seiner Seele, als man es sich je vorstellen könnte.
Wenn man das Glück hatte, solche Menschen kennen zu lernen, dann fürchtet man den Tod nicht mehr, man begrüßt ihn. Wir klammern uns so sehr ans Leben, dass wir so blind vor der Schönheit und Einzigartigkeit des Lebens sind. Wir fürchten uns so sehr vor dem Tod, dass wir nicht mehr fähig sind, das Leben als ein Geschenk zu betrachten. Wir drängen uns selbst in eine eignensgeschaffene Einsamkeit um unsere Schwächen zu verbergen, aber Schwächen sind gut und lässt uns doch im Grunde Mensch sein. Der Tod ist doch nur eine weitere Reiseetappe. Aber sich dafür fürchten ist - denk ich - nicht der richtige Weg. In so vielen Kulturen wird der Tod ebenso euphorisch gefeiert, wie die Geburt eines Kindes. Wir sollen uns immer vor Augen halten, dass wir von der Sekunde der Geburt doch nur eine gewisse Zeit hier verbringen.
Ich wünsche dennoch den Trauernden viel Kraft auch diese Zeit zu überstehen.
Bijou
... das Geheimnis liegt in der Sauce ... zit. Grüne Tomaten.
23.05.2004 08:30