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Da haben wir es wieder Schwarz vor Weiß

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freier Partyfotograf

Da haben wir es wieder Schwarz vor Weiß
Der Sprintsieg Usain Bolts ist nur ein weiterer Beweis: Laufen bleibt eine Domäne dunkelhäutiger Athleten.Das 100-m-Finale lief zum fünften Mal ohne Weiße ab, alle Weltrekorde sind in schwarzer Hand. Kein Zufall
Usain Bolt, man muss es leider sagen, hat an David Hasselhoff erinnert. Und an eine TV-Serie mit einem schwarzen Auto in der zweiten Hauptrolle. Wenn's brenzlig wurde, betätigte Hasselhoff den "Turbo Boost" und sagte: "Kitt, gib mir alles." Und schon beschleunigte das Auto, auf dass alle anderen das Nachsehen hatten. Auf genau so ein Knopferl hat auch Usain Bolt gedrückt. Dann breitete der Jamaikaner die Arme aus, klopfte sich mit der rechten Hand auf die Brust. Und so lief er über die Ziellinie, zum Olympiasieg über die 100 Meter, zum Weltrekord.

9,69 Sekunden. Der Sprint bleibt in jamaikanischer Hand. Ab 2005 Asafa Powell (erst 9,77, dann 9,72), seit heuer Usain Bolt, der seine Marke vom Mai (9,72) am Samstag um drei Hundertstel verbesserte und sich bald weiter steigern und hohe Prämien kassieren kann. Doch zum ersten Mal gewann Jamaika olympisches Sprintgold. So oder so bleibt das Laufen eine Domäne dunkelhäutiger Athleten. Für Weiße gilt: "Dabeisein ist alles." Zum fünften Mal en suite lief das 100-m-Finale ohne weiße Beteiligung ab. Seit 1960, als der Deutsche Armin Hary in Zürich handgestoppte 10,0 lief, hat kein Weißer zum Weltrekord hingeschnuppert. Die besten zweihundert Sprintzeiten gehen auf das Konto schwarzer Läufer, unter den besten sechzig Sprintern aller Zeiten findet sich kein einziger Weißer.

Früher galt es generell als politisch unkorrekt, Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß zu thematisieren, schwarze Dominanz in diversen Sportarten wurde mit einer Art "Ghetto-Theorie" erklärt. Es hieß, der Sport stelle für Dunkelhäutige ein soziales Sprungbrett dar, sie hätten mehr und größere Beweg-Gründe. Doch längst stammen viele schwarze Sportler aus der Upper Class. Und längst wird offen diskutiert und gibt es Studien darüber, was die Vorzüge von Läufern mit afrikanischen Wurzeln sein könnten.
Sir Roger Bannister, der 1954 als Erster die Meile unter vier Minuten lief und später als Neurologe in Großbritannien Anerkennung fand, hatte bereits 1995 bei einer Fachtagung für Aufregung und Proteste gesorgt. Er sagte, er nehme in Kauf, politisch unkorrekt zu sein, wolle aber auf Folgendes hinweisen: "Schwarze Sprinter und ganz allgemein schwarze Athleten haben natürliche anatomische Vorteile." Dreizehn Jahre danach ist Bannister durch Rekord- und Siegerlisten bestätigt. Die Zeiten, da der Italiener Pietro Mennea über 200 Meter dominierte, die Zeiten, da sich die Briten Ovett und Coe auf den Mitteldistanzen duellierten, sind längst gelaufen.

Jeder Weltrekord, von jenem über 100 Meter bis zu jenem im Marathon, gehört einem Läufer mit afrikanischen Wurzeln. Die Kenianer und die Äthiopier sind über Mittel- und Langstrecken beinah unangefochten, die besten Sprinter haben ihre Wurzeln in Westafrika. Die Vorfahren der meisten dunkelhäutigen US-Amerikaner wie auch die Vorfahren der meisten Kariben stammen aus Nigeria und Liberia. Der einzige Weiße, der seit Jahren laufend an der Spitze mitmischt, ist Jeremy Wariner (USA), über 400 Meter mehrfacher Weltmeister und Olympiasieger 2004. Tatsächlich eine echte Ausnahme-Erscheinung - Wariner ist 1,87 Meter groß und wiegt 67 Kilogramm.

Da Dänen, dort Kenianer

Der Schwede Bengt Saltin, Leiter des Kopenhagener Zentrums für Muskelforschung und eine große Nummer in der Wada (Weltantidopingagentur), hat in den 90ern vergleichend geforscht. Dänen auf der einen Seite, Kenianer auf der anderen. Die Höhe allein, in der Kenianer aufwachsen, fand Saltin heraus, bringe ihnen keinen Vorteil punkto Sauerstoffverbrauch. Dass afrikanische Läufer später ermatten, hänge mit einem Enzym zusammen, das die Produktion von Milchsäure bremst bzw. ihren Abbau beschleunigt. In ermüdeten kenianischen Muskeln sammelte sich die Milchsäure langsamer als in dänischen. Saltins Schluss: "Afrikaner können mit gleicher Sauerstoffmenge um zehn Prozent weiter laufen als Europäer." Das Magazin Science zitierte Saltin mit: "Ich glaube, es sind die Gene."

Sportmediziner an der TU München haben im Jahr 2000 erstmals eine Liste von Genen erstellt, die die sportliche Leistungsfähigkeit beeinflussen können. Damals umfasste die Liste dreißig, jetzt umfasst sie 160 Gene. Kein Wunder, dass Kundige bald mit Gendopingfällen rechnen. Freilich müssen Fahnder auch auf Fälle wie jenen des finnischen Langläufers Eero Mäntyranta gefasst sein, der nur 1,70 Meter groß, aber in den 60ern dreimal Olympiasieger war. Zwanzig Jahre später wiesen Molekularbiologen bei ihm und vielen Verwandten eine Genmutation nach, deretwegen die Anzahl roter Blutkörperchen erhöht war, was den Sauerstofftransport beschleunigt.

Da Regel, dort Ausnahme

Etliche Studien setzen sich mit mehr oder weniger Offensichtlichem auseinander. Kenianer haben demnach längere und dünnere Beine, allein auf den Waden im Schnitt um 400 Gramm weniger Fleisch als Europäer. Westafrikanische Sprinter wiederum können im Vergleich mit Europäern über dichtere Knochen, schmalere Hüften, dickere Oberschenkel, leichtere Waden und längere Beine verfügen. Usain Bolt tanzt da ein wenig aus der Reihe. Seine langen Beine sind auffällig, für einen Sprinter ist er sehr groß (1,96 m), sein Körpergewicht (86 kg) und die Oberschenkeldicke muten durchschnittlich an.

Dunkelhäutige Sprinter besitzen dem Vernehmen nach im Schnitt mehr schnelle Muskelfasern (67 Prozent) als weiße Sprinter (60). Kenianische Langstreckenläufer verfügen über bis zu 90 Prozent langsame, ausdauernde Muskelfasern. Wobei zuletzt etliche Wissenschafter herausgefunden haben wollen, auch im Langstreckenlauf seien schnelle Muskelfasern vonnöten, klingt logisch angesichts der Tatsache, dass schnelle Marathonläufer auf ein Kilometermittel unter drei Minuten kommen.
Olympiasieger Bolt, der am Donnerstag 22 Jahre alt wird, verbesserte sich selbst binnen Jahresfrist um 0,35 Sekunden. Derart überlegen war er in einer Disziplin, in der es auf Hundertstel ankommt, dass vielen im Pekinger Nationalstadion nicht nur Herr Hasselhoff einfiel. Sondern eine Szene, die fast so alt ist wie die TV-Serie. Usain Bolt hat an Ben Johnson erinnert, der 1988 gedopt 9,79 lief. Auch das muss man leider sagen.


Quelle:(Fritz Neumann aus Peking - DER STANDARD PRINTAUSGABE 18.8. 2008)
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ein wenig Eigenwerbung muß sein ;-)
18.08.2008 07:41